Der Oktober steht ins Land und damit der Altweibersommer. Unweigerlich nähern wir uns der eher regnerischen, dunklen Jahreszeit. Doch dieser Monat ist noch einmal ein Lichtblick, mit bunt gefärbtem Laub, den letzten wärmenden Sonnentagen und vor allem den leuchtenden Wildfrüchten an Bäumen und Sträuchern.
Heute wende ich mich einer Wildfrucht zu, die leider ziemlich in Vergessenheit geraten und in Kleingärten meines Wissens nach fast gar nicht (mehr) anzutreffen ist.
Die Legende erzählt, dass der Strauch beschuldigt wurde, dass aus seinem Holz die Dornenkrone Christi geflochten wurde und aufgrund dieser Schuld sein Holz so schwarz geworden sei. Den Strauch kränkte diese Anschuldigung sehr und er grämte sich. Doch Gott hatte Mitleid mit ihm und zum Zeichen seiner Unschuld überzieht er ihn in jedem Frühling mit einem weißen Blütenkleid, bevor die Blätter sprießen.
Na, ahnst du, welche Pflanze ich meine? Die Schlehe, die auch Schwarzdorn genannt wird, ist ein großartiger Strauch und Wohnraum vieler Tiere, mit dunklem Holz, äußerst wehrhaften Dornen und schmackhaften Früchten. Sie war wohl auch Zeuge des Wettlaufes zwischen Hase und Igel auf der Buxtehuder Heide.
Die Schlehe, botanisch Prunus spinosa, ist eine Verwandte der Pflaume und ähnelt ihr auch geschmacklich. Doch wenn du schon einmal eine der dunkelblauen, mit dem weißen Reif überzogenen Früchte mutig probiert hast, wirst du mir an dieser Stelle vermutlich vehement widersprechen. Ich ahne, wie sich dein Gesicht bei der Erinnerung an die Begegnung mit der Frucht verzieht: erst sauer, dann herb und dann... einfach nur noch pelzig und unangenehm im Mund! Und das soll lecker sein? Dabei hat die Schlehe einen Zuckergehalt von bis zu 10%, was das Doppelte einer reifen Erdbeere ist und die schmeckt doch wunderbar süß, oder?
Wie kommt es dann, dass die Schlehe so widerspenstig ist, sie schon bei der Ernte mit den manchmal als Ästchen getarnten, sehr spitzen Dornen dem Pflücker zu schaffen macht?
Der Grund ist der hohe Gehalt an Gerbstoffen, weswegen auch nur wenige Früchte bedenkenlos roh genossen werden sollten. Welchen Effekt Gerbstoffe haben, ist am einfachsten am Beispiel des trockenen Rotweins zu erklären: Der Mund wird trocken und pelzig, da die Tannine mit den Eiweißen der Schleimhäute reagieren und eine Art Schutzschicht bilden. Und damit werden unsere Geschmacksknospen fast außer Kraft gesetzt. Wir können so die Süße der Frucht und ihre großartigen Aromen nicht schmecken.
„Ja, wozu dann pflücken?“, magst du dich vielleicht fragen. Einerseits sind Gerbstoffe in gewissen Mengen für uns heilsam, sorgen sie doch dafür, dass angeschlagene Schleimhäute wieder heilen können und andererseits braucht es nur ein wenig Geduld und ein paar Tricks, um diese wunderbare Frucht genießen zu können.
Kommen wir zu den Tricks: Sicher kennst du die Aussage, dass man gewisse Früchte erst nach dem ersten Frost ernten sollte, so auch die Schlehe. Leider ist dies manchmal erst sehr spät im Jahr und dann waren die Vögel schneller und haben sich die Früchte gut schmecken lassen. Wobei auch eine Frostnacht bei weitem noch nicht ausreicht, um den Geschmack zu verbessern. Doch was tun? Eine Möglichkeit ist, die reifen Früchte (dunkelblaue Schale, rötliches Fruchtfleisch, roter Fruchtsaft) mit den Zweigen zusammen zu ernten, also zu schneiden und sie dann im kühlen, dunklen Keller, auf Stroh gebettet, in Ruhe nachreifen zu lassen. Denn der Zahn der Zeit sorgt dafür, dass die Gerbstoffe und die Anthocyane, die blauen Farbstoffe, die sehr wertvoll für uns sind, miteinander reagieren und erstere nicht mehr ihre unangenehme Wirkung entfalten, sondern das Aroma unterstützen.
Eine zweite Möglichkeit ist, die Früchte einzufrieren und sie mindestens ein halbes Jahr oder lieber noch länger in der Kälte zu lassen, wo sie ebenfalls nachreifen, jedoch langsamer.
Und dann sind die Früchte wunderbar süß, sogar sehr süß. Mit Zimt und Nelke kombiniert ist die Schlehe in Kuchen, Kompott, als Likör oder Marmelade ein Gedicht! Und genau richtig für die kalte Jahreszeit!
Doch sollten Sie einmal unreife, noch grüne Früchte geerntet haben, können Sie diese einfach als Oliven in Salzlake einlegen!
Bisher ging es in erster Linie um den Genuss der Früchte. Doch wird der Schwarzdorn auch in der Volksheilkunde genutzt. So stellt der Tee aus den weißen Blüten ein mildes Abführmittel für Kinder dar. Ein starker Aufguss kann als Gurgelmittel eine beginnende Entzündung im Hals- und Rachenraum im Keim ersticken. Die Früchte sind aufgrund ihres Gehaltes an Vitaminen, Mineralstoffen und Anthocyanen ein wunderbares Stärkungsmittel nach Erkältungen bzw. können diesen, rechtzeitig genutzt, entgegenwirken.
Also los geht die Suche nach den letzten verbliebenen Schlehensträuchern und ihren herrlichen Früchten!
Komm mit auf eine Kräuterwanderung, bei der wir leider häufig nicht die Schlehe, dafür andere, sehr wertvolle Kräuter entdecken und auch jetzt im Herbst noch wunderbar genießen können.
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